Warum Climate-Tech Startups der effizienteste Weg sind, um die notwendigen Innovationen für eine „Net-Zero Economy“ voranzutreiben

SOURCE: climate-tech.de

21. März, 2021

Inmitten der COVID-19 Pandemie liegt das Augenmerk der Gesellschaft zu Recht auf dem Schutz unserer Gesundheit und dem Retten von Leben. Die Krise hat uns aber auch gezeigt, wie schnell Innovationen vorangetrieben werden und wie schnell wir diese in den Markt bringen können. Gleichzeitig müssen wir uns bemühen, um die nächste katastrophale Krise zu vermeiden: den Klimawandel. Auch hier benötigt es Innovation und Unternehmertum. Climate-Tech Entrepreneurship ist ein wichtiger Hebel, um die nötigen Technologien zu entwickeln und zeitnah marktfähig zu machen.

Der neue Vorschlag der Europäischen Kommission ist es, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 55% unter das Niveau von 1990 zu senken. Mit dieser Ambition kann die EU dem Ziel der UN, die Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten, einen erheblichen Schritt näherkommen. Doch um dies zu erreichen braucht es einiges. Allem voran: Innovation.

Innovationen gegen den Klimawandel

Die gute Nachricht ist, dass ein 1,5-Grad-Pfad technisch erreichbar ist. Allerdings würde ein solcher Weg in den nächsten zehn Jahren – ab sofort – dramatische Emissionsreduktionsmaßnahmen erfordern. Diese Maßnahmen würden unsere globale Wirtschaft in allen Bereichen einschneidend verändern, wie eine Veröffentlichung des McKinsey Global Institutes aufzeigt.

Reformierung der Agrar- und Nahrungsmittelsysteme

Die Agrar- und Nahrungsmittelsysteme verursachen jährlich ca. 20% der globalen Treibhausgasemissionen, insbesondere, da in diesen Systemen die sehr potenten Treibhausgase (THG) Methan und Lachgas emittiert werden. Darüber hinaus ist abzusehen, dass die Emissionen in diesem Bereich aufgrund des Bevölkerungswachstums, des steigenden Pro-Kopf-Lebensmittelkonsums in Schwellenländern und des konstant bleibenden Fleischkonsums bis 2050 um 15-20% zunehmen werden. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken müssen wir zunächst effizienter werden, da derzeit ca. ein Drittel der produzierten Lebensmittel entlang der Wertschöpfungskette verderben. Zudem braucht es neue Proteinquellen, welche eine CO2-arme Alternative zu Fleisch und Fisch darstellen. Neue Kultivierungsmethoden in der Landwirtschaft sind erforderlich, welche nicht nur den Agrar-Output hochhalten, sondern auch gesunde Böden (welche wichtig zur Absorption von CO2 sind) fördern und den Einsatz von CO2-intensiven Düngemitteln reduzieren. Letztlich muss das Abholzen von Wäldern gestoppt werden, welches für zusätzliche ca. 15% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist.

Übergreifende Elektrifizierung

Elektrifizierung kann zu einer weitreichenden Dekarbonisierung, insbesondere im Straßentransport (derzeit ca. 15% der globalen THG-Emissionen), im Gebäudesektor (derzeit ca. 7% der globalen THG-Emissionen) und der Industrie führen. Während die Elektromobilität derzeit einen Tipping Point erreicht und in 2020 in Europa das erste mal mehr Elektrofahrzeuge verkauft wurden als Dieselfahrzeuge, gibt es hier noch viel Innovationsbedarf, um z.B. Batterien nicht nur leistungsfähiger, sondern auch günstiger und ressourcenschonender herzustellen. Im Gebäudesektor muss insbesondere Raum- und Wassererwärmung, die typischerweise auf fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Heizöl und Kohle beruht, elektrifiziert oder durch Fernwärme oder das Zumischen von Wasserstoff oder Biogas dekarbonisiert werden. Letztlich müssen industrielle Teilsektoren mit Niedrigtemperatur- und Mitteltemperaturwärmebedarf wie Bauwesen, Lebensmittel, Textilien und Fertigung mit Strom aus sauberen Energiequellen elektrifiziert werden.

Dekarbonisierung von Stromproduktion und Treibstoffen

Eine weit verbreitete Elektrifizierung würde den Strombedarf bis 2050 ca. verdreifachen. Für eine umfassende Dekarbonisierung müsste das Stromversorgungssystem fossile Kraftwerke durch erneuerbare Energien ersetzen und somit die Produktionskapazität von Windkraft- und PV-Anlagen erheblich steigern. Damit verbunden ist auch das Management eines viel volatileren und dezentraleren Stomversorgungssystems, welches erhebliche technische Herausforderungen mit sich bringt. Auch Kraftstoffe für die Schifffahrt, den Flugverkehr, Schienenverkehr und für die Industrie müssen neu gedacht werden. Hier bietet aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff eine Antwort.

Effiziente industrielle Prozesse

Eine Steigerung von Ressourceneffizienz und das Integrieren der Kreislaufwirtschaft in unseren industriellen Prozessen würde nicht nur THG-Emissionen senken, sondern könnte sogar die Kosten senken und die Leistung verbessern. Sehr großes Potential besteht insb. in CO2-intensiven Industrien wie z.B. der Kunststoff-, Metall- und Zementindustrie. Je nach Industrie können hier verschiedene Ansätze funktionieren. Zum Beispiel wird in der Metallindustrie bereits heute ein “zirkulärer” Ansatz verfolgt, da sich hier Recycling lohnen könnte. In der Zementindustrie ist die Kreislaufwirtschaft schwieriger durchzusetzen und hier könnten andere Massnahmen zur Schonung von Ressourcen (z.B. Carbon Capture) relevant werden. Neben Ressourceneffizienz und der Kreislaufwirtschaft ist die Reduktion von „flüchtigen” Methangasen, welche durch die Aktivitäten von Öl- und Gasunternehmen sowie beim Abbau von Kohle freigesetzt werden, ein weiterer wichtiger Hebel zur Bekämpfung von THG-Emissionen.

Abscheidung und Speicherung von CO2

Selbst wenn alle zuvor genannten Maßnahmen durchgesetzt werden würden, müsste man noch immer CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen, da es immer unvermeidbare Emissionen geben wird (z.B. in der Landwirtschaft) und da es bereits heute zu viel CO2 in der Atmosphäre und in den Ozeanen gibt. Hier gibt es zwei verschiedene Ansätze: Technologiebasierte CO2-Entfernung zum Einen, wie z.B. das direkte Herausfiltern von CO2 aus der Luft und das anschliessende permanente Speichern des THG. Zum Anderen gibt es natürliche Kohlenstoffsenken, z.B. durch Wiederaufforstung, Sequestration von CO2 in der Erde oder durch das Speichern von Kohlenstoff in z.B. Pflanzenkohle.

Startups sind der schnellste Weg, um innovative Technologien marktfähig zu machen

Um den Weg in ein CO2-freies Wirtschaftssystem zu schaffen braucht es einiges: Ein wichtiger Bestandteil ist, dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen via Regulatorik und Marktmechanismen wie z.B. die Bepreisung von THG-Emissionen schafft. Zudem braucht es die Bereitschaft der Gesellschaft, einen umweltbewussten Lebensstil zu führen, wie z.B. weniger zu reisen, sich nachhaltiger zu ernähren und in Energieeffizienz zu investieren.
Vor allem aber braucht es Innovationen, denn viele der benötigten Technologien und Geschäftsmodelle existieren heute nicht oder nicht in einem Maße, welches eine Anwendung in der Wirtschaft erlauben oder eine ausreichende Skalierung ermöglichen würde. Innovation kann selbst ohne Regulatorik oder eine Verzichtbereitschaft der Gesellschaft helfen umweltfreundlicher zu wirtschaften und zu leben. So zum Beispiel ist es heute günstiger Solarenergie zu produzieren als Kohlekraftwerke zu bauen. Um diese notwendigen Innovationen in einer angemessenen Zeitspanne und in einer effizienten Weise marktfähig zu machen, spielen Startups eine entscheidende Rolle.

Disruptive Innovation entsteht zwar oft in den Labs und Think Tanks von Spitzenuniversitäten und Forschungszentren, allerdings ist die Wissenschaft oft nicht in der Lage, neue Technologien aus den Labs in den Markt zu bringen. Dafür benötigt es die richtigen Geschäftsmodelle und “Go-to-Market”-Strategien. Mit ihren schlanken Strukturen und iterativen Methoden sind Startups gut geeignet, die vielversprechendsten Ansätze hierfür zu finden, auszutesten und zu skalieren. In dieser Hinsicht haben sie auch Corporates einiges voraus, welche aufgrund ihrer vielschichtigen Hierarchiestufen oft zu Innovationträgheit und Risikoaversität tendieren. Zudem sind die Gründer von Jungunternehmen hoch intrinsisch und extrinsisch motiviert um Werte zu schaffen – nicht nur finanziell, sondern auch für Menschen und den Planeten.

Ohne Innovation wird die Wende zu einer Net-Zero Economy nicht möglich sein. Zudem haben Unternehmen wie TeslaBeyond MeatClimeworks oder etwa Sonnen gezeigt, dass man startend von der grünen Wiese nicht nur ganze Industrien verändern oder erschaffen kann, sondern dass zudem ein enormes finanzielles Potential in dieser Wende liegt – sowohl für Unternehmer*innen also auch für Investoren*innen.


Autor: Alexander Langguth (Mitgründer und Managing Partner bei Übermorgen Ventures) unterstützt seit 2014 Unternehmen, Investoren und Regierungen in Bereich Climate-Tech. Übermorgen Ventures ist eine Early-Stage Venture Capital Firma, welche in Startups investiert, die innovative Technologien und Geschäftsmodelle zur Bekämpfung des Klimawandels entwickeln.

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